Splendid London
London ist einfach Glanz & Gloria!! Das ganze royale, seefahrerische, ja, auch koloniale Selbstbewusstsein lässt sich nachempfinden, auch diese sehr britisch wirkende Gewissheit von Selbstwirksamkeit, von dieser Insel aus die Welt befahren zu haben und in ihr einen Standard gesetzt zu haben. Fast wird verstehbar, wie es zu dieser obskuren Brexit-Idee kommen konnte. So weit würde Alfred allerdings nicht gehen…
Wir streifen zusammen durch die Stadt und erstehen für Chaja auf dem Covent Garden Market maximal coole, fast originale Converse Chucks, handbemalt mit Union Jack und London Underground-Symbol. Auch für Anna Lu, Jörgs Tochter, findet sich ein passendes Paar als Mitbringsel.
Außerdem pilgern wir zum Deli von Ottolenghi in Notting Hill, den Jörg auf seiner inneren London-Liste hat. Die Sachen sehen so lecker aus, noch besser als in den Kochbüchern, und es ist leider unmöglich, alles zu probieren. Alle Plätze am einzigen Tisch sind besetzt, aber wir lassen uns alle jeweils eine buchstäblich wundervolle Box packen und essen auf einer Parkbank ein königliches Mahl von Schmorkartoffeln mit Ricotta, grünen Bohnen mit Tahini, Brokkoli geschwenkt in Chilli und Knoblauch, Auberginen mit Kichererbsen und Joghurt, geschmortem Rinderfilet… Hmmm – hat irgend jemand ’mal etwas schlechtes über die englische Küche gesagt?!?
Der krönende Abschluss des Tages ist die Rückfahrt zur Marina mit einem „echten“ roten Doppeldecker-Bus auf der Linie 15, der einzigen Linie auf der das historische Modell noch eingesetzt wird. Wir haben Glück und steigen versehentlich am drop off point der Haltestelle in den leeren Bus ein. Keiner schickt uns wieder raus, so dass wir schon oben in der ersten Reihe sitzen, als alle anderen einsteigen. Die zügige Fahrt ist ein echtes Erlebnis und wir haben alle ein breites Grinsen im Gesicht. Beim Aussteigen staunt Chaja über die steile Treppe und ihr Ende an der offenen Ausstiegsplattform, wo nur der Arm des conductors die Fahrgäste am Hinausfallen hindert.
Nach der Abreise von Jörg und Mathias sind wir wieder zu dritt und werden geschäftig: Wir besteigen pflichtschuldig die Tower Bridge (ist von unten schöner) und fahren im Hyde Park Tretboot. Alfred findet in den Greenland Docks eine Möglichkeit den Konstruktionsfehler des neuen Sonnensegels beheben zu lassen (180£ für zwei Nähte – aber hey, wir sind in London!). Wir fahren mit dem DLR – Docks Light Railway – nach East London. Die Stationen tragen Namen wie West India Quay oder Canary Wharf. Im Mudchute Park angekommen , einer riesigen, bewaldeten Brache zwischen vielen Skyscraper-Baustellen, füttern wir englische Schweine und Lamas gemeinsam mit vielen Londoner Grundschulkindern, die in den letzten Wochen vor den Sommerferien klassenweise in der ganzen Stadt unterwegs sind.
Und schließlich ziehen wir weiter und verabschieden uns vom aufregenden London. Wir warten auf high water zur Mittagszeit, sodass uns die Themse mit Öffnung der Schleuse an den St. Katherine Docks mitnimmt und uns durch das Londoner Sturmflutsperrwerk sanft in Richtung Englischen Kanal spült. Abends ankern wir außerhalb des Fahrwassers südlich von Southend-on-Sea und werden vom überraschend unruhigem Seegang durch geschaukelt – die Tidenströmung versucht, uns zurück nach London zu treiben. Es gibt Pasta mit Tomatensoße zum Abendbrot, auf der Themse gekocht und gegessen, und alle gehen früh schlafen. Chaja hat nachts Fieber und Angstträume, die so verwirrend sind, dass weder sie noch die übernächtigte Mutter sich am nächsten Tag noch an den nachts ausführlich diskutierten, horrormäßigen Inhalt erinnern können. Am nächsten morgen hat die Moana Blu erwartungsgemäß mit der Tide um 180º gedreht und die Strömung geht wieder zu unseren Gunsten. Wir fahren los.
* Chaja, entervt: „MAMA, es GIBT kein Elfenbein, weil es gibt ja auch keine Elfen!“