Plymouth

Nicht minder aufgeregt sind offensichtlich sind offensichtlich die Kinder eines großen Opti-Kurses, die sich ohne Ansehen von Person und Vorfahrtsregeln in der Flussmündung tummeln. Der Segellehrer bedankt sich erleichtert winkend, als wir nach dem Ablegen einen Haken schlagen, um nicht mitten ins Feld der Segelanfänger zu geraten.

Wir halten Ausschau nach den Delfinen, die uns am Vortag vor Dartmouth begleitet haben, aber leider sind sie nicht zu sehen. Trotzdem sind wir bester Laune und sitzen vergnügt Ausguck haltend in der Plicht. Bald kommt Hunger auf Mittagessen auf. Wir kochen eine japanische Suppe mit Soba-Nudeln und werden übermütig: Alle zusammen sitzen im Salon und löffeln glücklich Suppe, während der Autopilot im Cockpit ganz alleine ist. Die Leichtmatrosin wird alle paar Minuten nach oben geschickt, um einen Rundumblick zu machen. Das haut nicht so ganz hin: Als Johanna pro forma auch mal nach oben geht um zu gucken, segeln wir gerade mit etwa 2 m Abstand am Heck eines kleinen ankernden Motorbootes vorbei – puuuh, Glück gehabt! Der Angler in besagtem Boot angelt übrigens völlig ungerührt weiter und schaut sich nicht einmal um. Ist das Vertrauen, stiff upper lip oder ist der etwa ebenso verpeilt wie wir? Wir ermahnen uns zu größerer Disziplin – was nur mässigen Erfolg zeitigt, denn obwohl wir eine halbe Stunde später alle im Cockpit sitzen, guckt anscheinend keiner. Jedenfalls schrecken wir jäh hoch durch ein Rumpeln an der Bordwand. Wir sind direkt über eine der Bojen gedonnert, mit denen die Fischer ihre Hummerfallen markieren. Schon wieder Glück gehabt – und gut, dass der Motor nicht lief. Hummerfallenleinen im Propeller braucht kein Mensch…Wir geloben Besserung, jetzt aber wirklich! Der phantastischen Stimmung an Bord kann all das nichts anhaben.

Schließlich erreichen wir Plymouth. Uns wurde von einem englischen Seglerpärchen, das wir unterwegs getroffen haben, die Sutton Harbour Marina empfohlen. Sie grenzt hinter einer Schleuse direkt an das Stadtzentrum an. Der Schleusenwärter lässt uns sofort einfahren und hat uns anscheinend auch beim Hafenmeister angemeldet. Jedenfalls werden wir am Steg von einem Hafenarbeiter erwartet, der uns einen freien Liegeplatz zeigt und beim Anlegen hilft – toller Service, sind wir gar nicht gewohnt! Die Marina ist auch sonst luxuriös. Es gibt am Hauptsteg ein Freideck mit Sofas und Sitzgruppen, Tee und Kaffee stehen bereit und die Duschkabinen sind eigentlich kleine Badezimmer mit eigener Toilette. So etwas gibt es vielleicht nur in England, da lässt das viktorianische Erbe grüßen. In Schweden dagegen duschen die SeglerInnen oft Schulter an Schulter und gegenüber am Waschbecken werden fleißig die Zähne geputzt.

Das Hafenviertel von Plymouth erkunden wir mit einem schönen Abendspaziergang. Es ist herrlich verwinkelt und die alten kleinen Häuser und Gässchen sind schön erhalten. Überall sitzen Leute an Tischen auf den Kais, es wird gegessen und getrunken, es gibt Livemusik und ein leichtes, sommerliches Lebensgefühl liegt in der Luft. Fast so als wären wir schon viel weiter im Süden.

Wir verbringen schöne Tage in Plymouth. Chaja und Alfred besuchen das große Aquarium, wir essen mehrmals englisches Frühstück im Boston Tea Party, einem sehr schönen Straßencafé, in dem riesige Portionen serviert werden. Jedes Gericht wird auch in vegetarisch und vegan zubereitet, ja, auch das englische Frühstück. Für Chaja organisieren wir einen Reitausflug auf einem der vielen südenglischen Ponyhöfe. Die Anfahrt führt uns ein ganzes Stück ins Hinterland, durch enge, gewundene Straßen, die rechts und links statt von Leitplanken von sehr, sehr hohen Hecken begrenzt sind. Auf dem Rückweg führe der nächste Bus erst zwei Stunden später. Doch als Johanna und Chaja sich mitten im Dorf an den Straßenrand stellen und den Daumen ’raus halten, nimmt uns das erste, das erste! Auto mit.

Eines Abends brechen wir mit einem der großen Transportwagen der Marina zum nächsten großen Supermarkt in fast 2 km Entfernung auf. Wir brauchen Proviant für die Biskayaüberquerung. Der Einkauf dauert ewig und strapaziert die Geduld aller Beteiligten ein wenig, aber schließlich scheinen wir fast alle haltbaren Sachen auf Johannas Liste beisammen zu haben. Den Frischproviant werden wir erst direkt vor Abfahrt in Falmouth kaufen. Wir orientieren uns testweise grob an dem Buch »Speiseplan – Kombüse kulinarisch« von Joachim Ruehl und Sophie Kill. Es finden sich, außer einigen schönen Rezepten, vor allem viele Ideen für Zwischenmahlzeiten und eine detaillierte Einkaufsliste. Wir halten uns daran nicht durchgängig, aber trotzdem ist es hilfreich, die kalkulierten Mengen einmal schwarz auf weiß zu sehen. Und Elvis Lieblingssandwich werden wir ganz sicher einmal machen.

Schließlich wird es für Chaja Zeit, sich vorläufig von der Moana Blu zu verabschieden. Sie macht Ferien vom Segeln an der Ostsee und Johanna wird sie nach Deutschland bringen.